Leistungsprinzip immer und überall

“Wenn du mal stolperst, dann lass dich nicht fallen, steh auf und kämpfe weiter.” 

Diesen Satz fand ich auf einem Folder einer Selbsthilfegruppe für psychisch beeinträchtigte Menschen. Ich frage mich, wie hilfreich diese Sichtweise ist? Warum werden Menschen depressiv, erschöpft und verlieren die Kraft  ihr Leben gestalten zu können? Ist es möglicherweise der Anspruch immer fit, immer aktiv, immer stark und immer leistungsfähig zu sein? Der Anspruch nie zu versagen, keine Fehler zu machen, immer perfekt zu sein?

Dieser Spruch fordert eben das Selbe von Menschen, die schon beeinträchtigt sind. Sie bekommen wieder Druck. Sie dürfen sich nicht fallen lassen, nicht ruhen um zu Kraft zu kommen. Nein, sie dürfen nicht fallen, sie müssen gleich wieder aufstehen und gleich wieder kämpfen.

Ist das realistisch, ist das möglich? NEIN!

Man braucht Zeit um Geschehenes wahrzunehmen, zu erkennen, zu betrauern, zu verzeihen, loszulassen, neue Perspektiven zu erkennen und um Kraft und Zuversicht zu schöpfen .
Man fällt, und das ist okay, das darf sein. Man bleibt liegen, und das ist okay, das darf sein. Man darf des Lebens überdrüssig sein und nicht mehr wollen, das ist okay, das darf sein.
Man braucht eine Zeitlang das Liegenbleiben und den Rückzug, um verarbeiten, den Lebensakku mit Energie aufladen und wieder neu starten zu können.

Es darf alles sein, es ist alles okay! Wie fühlt sich diese Perspektive an?

Fehlerkultur

“Wir machen niemals etwas falsch. Wir haben nie etwas falsch gemacht. Wir werden niemals etwas falsch machen. Wir tun Dinge, die wir nicht getan hätten, wenn wir damals gewusst hätten, was wir jetzt gerade lernen.” (M.B. Rosenberg)

Wie fühlen Sie sich, wenn Ihnen ein Fehler passiert? Wie reagieren Sie auf eine eigene Fehlleistung? Klagen Sie sich an, schämen Sie sich, beschuldigen Sie sich selbst, versuchen Sie sich zu rechtfertigen oder schieben Sie die Schuld anderen zu?

Wie reagiert Ihr Umfeld, wenn Sie einen Fehler machen? Müssen sie mit Abwertung, Ablehnung, Gesichtsverlust, Liebesentzug, Bestrafung oder Schuldzuweisungen rechnen?

Fällt Ihnen ein kürzlich geschehener Vorfall ein? Wie spürt sich dazu die angeführte Aussage von M.B. Rosenberg an?

Welche Ideen haben Sie? Wie kann der Umgang mit Fehlern, sich selbst gegenüber und im Zusammenleben mit anderen Menschen, wert- und vorurteilsarm gestaltet werden? Wie können Fehler als Chance zum Lernen und Weiterentwickeln genützt werden? Wie fühlt sich diese Sichtweise an?